Background Image
Previous Page  10 / 12 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 10 / 12 Next Page
Page Background

bedenklich bis bedrohlich hält. In seiner dreiviertelstündigen NDR-Sendung

„Das Schwinden der Sinne“, die gleich zweimal über die dritten Programme

aller deutschen Fernsehanstalten lief, hat er zahlreiche Beispiele gegeben, um

seine Auffassung zu belegen. Daraus einige besonders überzeugende Aus-

schnitte. Ein erfahrener Grundschullehrer kommt mit folgendem Beitrag zu

Wort:

„Ich hab diese Klasse seit der Vorschule. Dieser Schüler kam in die Vorschule,

und am Ende der Vorschulklasse stellte ich erst fest, dass der Junge eigentlich nie

schaukelte. Es gibt Kinder, die haben also im häuslichen Milieu so wenig An-

regung bekommen gerade in diesem psychomotorischen Bereich, dass sie unter

Umständen eingeschult werden, ohne jemals auf einer Schaukel gesessen zu ha-

ben. Nachdem er also ein psychomotorisches Förderprogramm durchlaufen hat-

te, wollte er nicht mehr von der Schaukel herunter. Ich kann nur feststellen, dass

es einige Kinder in meiner Klasse gibt, die zu Hause täglich mehr als neun Stun-

den vor dem Fernseher sitzen – ja, mehr als neun Stunden. Diese Kinder sind

nicht mehr aufnahmefähig, sie verstehen keine Anweisungen, können regelrecht

nicht mehr zuhören. Es ist feststellbar, dass Kinder, die Schwierigkeiten haben

mit dem Lesenlernen, oft auch im psychomotorischen Bereich gestört sind ...“

Reinhard Kahl kommentiert dann selbst eine Bildfolge von Kindern im Ham-

burger Sozialpädiatrischen Zentrum, die sich – größtenteils erfolglos – bemü-

hen, in einer großen, völlig freien Übungshalle rückwärts zu gehen:

„Eine Reihe von Kindern aus dieser Klasse hat große Schwierigkeiten, rückwärts

zu gehen, obgleich sie bereits seit zwei Jahren an diesem psychomotorischen Tur-

nen teilnehmen. Sie können sich nicht ohne Hilfe ihrer Augen allein aus ihrem

Gleichgewichtsgefühl heraus bewegen. Das wird an ihren Schwierigkeiten beim

Rückwärtsgehen deutlich. Bei der Einschulung waren mehrere Kinder dieser

Klasse völlig unfähig, sich rückwärts zu bewegen.“

Die Leiterin dieses Sozialpädiatrischen Zentrums, Inge Flehmig, meint dazu:

„Wenn Kinder kein Gleichgewicht haben, dann haben sie auch Angst, nach hin-

ten zu gehen, weil sie keine Augen haben, mit denen sie gegenregulieren können.

Das ist also auch ein Selbsterhaltungstrieb, nach hinten laufen zu können ...“

In einer Fortbildungsveranstaltung berichtet ein Psychologe von überraschen-

den und zugleich höchst beunruhigen Erkenntnissen aus einer Untersuchung

der Eigenunfallversicherung der Stadt Frankfurt. Jene konnte sich nicht er-

klären, warum sie jährlich pro tausend Kindergartenkinder 120 Unfälle regis-

trieren musste, die so schwer waren, dass der Arzt aufgesucht werden musste.