bedenklich bis bedrohlich hält. In seiner dreiviertelstündigen NDR-Sendung
„Das Schwinden der Sinne“, die gleich zweimal über die dritten Programme
aller deutschen Fernsehanstalten lief, hat er zahlreiche Beispiele gegeben, um
seine Auffassung zu belegen. Daraus einige besonders überzeugende Aus-
schnitte. Ein erfahrener Grundschullehrer kommt mit folgendem Beitrag zu
Wort:
„Ich hab diese Klasse seit der Vorschule. Dieser Schüler kam in die Vorschule,
und am Ende der Vorschulklasse stellte ich erst fest, dass der Junge eigentlich nie
schaukelte. Es gibt Kinder, die haben also im häuslichen Milieu so wenig An-
regung bekommen gerade in diesem psychomotorischen Bereich, dass sie unter
Umständen eingeschult werden, ohne jemals auf einer Schaukel gesessen zu ha-
ben. Nachdem er also ein psychomotorisches Förderprogramm durchlaufen hat-
te, wollte er nicht mehr von der Schaukel herunter. Ich kann nur feststellen, dass
es einige Kinder in meiner Klasse gibt, die zu Hause täglich mehr als neun Stun-
den vor dem Fernseher sitzen – ja, mehr als neun Stunden. Diese Kinder sind
nicht mehr aufnahmefähig, sie verstehen keine Anweisungen, können regelrecht
nicht mehr zuhören. Es ist feststellbar, dass Kinder, die Schwierigkeiten haben
mit dem Lesenlernen, oft auch im psychomotorischen Bereich gestört sind ...“
Reinhard Kahl kommentiert dann selbst eine Bildfolge von Kindern im Ham-
burger Sozialpädiatrischen Zentrum, die sich – größtenteils erfolglos – bemü-
hen, in einer großen, völlig freien Übungshalle rückwärts zu gehen:
„Eine Reihe von Kindern aus dieser Klasse hat große Schwierigkeiten, rückwärts
zu gehen, obgleich sie bereits seit zwei Jahren an diesem psychomotorischen Tur-
nen teilnehmen. Sie können sich nicht ohne Hilfe ihrer Augen allein aus ihrem
Gleichgewichtsgefühl heraus bewegen. Das wird an ihren Schwierigkeiten beim
Rückwärtsgehen deutlich. Bei der Einschulung waren mehrere Kinder dieser
Klasse völlig unfähig, sich rückwärts zu bewegen.“
Die Leiterin dieses Sozialpädiatrischen Zentrums, Inge Flehmig, meint dazu:
„Wenn Kinder kein Gleichgewicht haben, dann haben sie auch Angst, nach hin-
ten zu gehen, weil sie keine Augen haben, mit denen sie gegenregulieren können.
Das ist also auch ein Selbsterhaltungstrieb, nach hinten laufen zu können ...“
In einer Fortbildungsveranstaltung berichtet ein Psychologe von überraschen-
den und zugleich höchst beunruhigen Erkenntnissen aus einer Untersuchung
der Eigenunfallversicherung der Stadt Frankfurt. Jene konnte sich nicht er-
klären, warum sie jährlich pro tausend Kindergartenkinder 120 Unfälle regis-
trieren musste, die so schwer waren, dass der Arzt aufgesucht werden musste.