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Diese Unfallquote lag noch wesentlich höher als in Industriebetrieben! Und

dies, obgleich man doch an den Kindergartenmöbeln inzwischen schon fast

alle Ecken rundgehobelt hatte und auch sonst die einschlägigen Unfallverhü-

tungsvorschriften peinlichst zu beachten strebte. Der Experte:

„Unsere Vermutung war, dass hier Mängel in der motorischen Entwicklung eine

wichtige Rolle als Unfallauslöser spielten. Wir haben uns also den häufigsten

Unfallablauf betrachtet – wenn Kinder nach vorne fallen und überhaupt kei-

ne Abfangbewegung, keine wirksame Abfangbewegung mehr ausführen. Hier

kann man davon ausgehen, dass durch Bewegungsmangel dieser Kinder auch

die wichtige Umsetzung von Unterhautgewebe in Fettgewebe unterblieben ist ...“

An dieser Stelle wird in den Fernsehbeitrag eine Übersicht im Rahmen der

Untersuchung eingeblendet. Danach hatten – und das dürfte leider eher ty-

pisch sein für Kinder in ganz Deutschland – von den untersuchten Kinder-

gartenkindern 60 Prozent Haltungsschwächen oder Haltungsschäden, 30

Prozent Übergewicht, 30 bis 40 Prozent motorische Auffälligkeiten oder Ko-

ordinationsschwächen. Immerhin eine erfreuliche Auswirkung war, dass die

betroffene Versicherung nun Anleitungen zu Bewegungsübungen für Kinder

anstelle von Sicherheitsvorschriften verbreitet. Denn, so folgerte der Versiche-

rungsfachmann, Kinder müssen wieder fallen lernen. Nur beim Fallen lernen

sie, sich aufzufangen.

Die Entdeckung der Langsamkeit

Dem deutschen Erfolgsautor Sten Nadolny verdanken wir einen Bestseller, in

dem er unter dem Titel „Die Entdeckung der Langsamkeit“ (1983) auf den

ersten Blick die Lebensgeschichte des englischen Seefahrers und Nordpolfor-

schers John Franklin in einem typischen Seefahrer- und Abenteuerroman be-

schreibt. In Wirklichkeit hat Nadolny aus diesem Lebenslauf eine feinsinnige

Studie über die Zeit und die Schnelligkeit oder Langsamkeit der menschlichen

Wahrnehmung entstehen lassen. Mit unerhörtem Einfühlungsvermögen be-

schreibt er einen Menschen, dessen innere Taktfrequenz zur Verarbeitung von

Sinnesreizen im auditiven, visuellen und motorischen Bereich offenbar ext-

rem niedrig liegt. Vielleicht ist der Erfolg dieses Buches auch darauf zurück-

zuführen, dass sich manche Leser darin wiedergefunden haben. Was mit der

inneren Taktfrequenz des Menschen gemeint ist, wird im Detail in dem Ab-

schnitt „Entdeckung der Taktfrequenz“ dargestellt werden. Hier seien einige

typische Merkmale des Helden dieses Buches beschrieben:

„John Franklin war schon zehn Jahre alt und noch immer so langsam, dass er

keinen Ball fangen konnte. Er hielt für die anderen die Schnur. Vom tiefsten